Fotobericht Europride 5.7 bis 7.7 in Köln

 

(1.7.02)
Nächstes Wochenende werde ich zusammen mit einer TG-Kollegin aus Süddeutschland die Europride in Köln besuchen.
Europride ist das europäische Mega-Event für Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender und dauert vom 15.6. bis 7.7.2002. Es sind Kultur, Diskussionen, Foren, Strassenfeste und Parties an allen Dreh- und Angelpunkten angesagt. Politischer Höhepunkt und gleichzeitig Abschluss des Europride 2002 bildet das dreitägige Strassenfest "Pride Village" (5.7.-7.7.2002) und die grösste politische Demonstration (Parade) am Sonntag, 7.7.2002. (vgl. auch  www.europride.de). Zur Parade werden fast 1. Mio Zuschauer erwartet. Europride von Köln entspricht wohl im wesentlichen dem Mardi Gras Festival in Sydney (vgl. Bericht en femme in Sydney).
Das Wochenende in Köln ist schon länger geplant. Nun rückt der Termin näher. Nur noch ein paar Tage dahin. Ich bin nun schon mächtig aufgeregt. Aber ich freue mich riesig darauf. Wir haben vor nächsten Freitag anzureisen und dann auch schon en femme auszugehen. Am Sonntag werden wir dann sicher auch die Parade besuchen. Super wäre es, wenn wir sogar am Umzug (natürlich en femme)  teilnehmen könnten.
Für mich  ist das Ganze ein weiteres kleines Abenteuer. Ich hoffe einfach, dass die Leute in Köln gegenüber Transgender freundlich gesinnt sind und dass wir jede Menge Spass haben werden.
(Randbemerkung: Ich  denke ab und zu, dass es vielleicht besser für mich wäre, wenn Köln ein kleiner persönlicher Reinfall würde. Dann würde ich vielleicht das Interesse an meiner weiblichen Seite kleiner und ich würde wieder ein "normaleres" Leben führen. Allerdings glaube ich, dass es mir (leider?) in  Köln gefallen wird, denn ich fiebere jetzt schon diesem Event entgegen, fast wie ein kleines Kind, dass den Weihnachtsabend herbeisehnt.)

(Freitag, 5.7.2002)
Mit dem Zug geht es nun endlich los Richtung Norden. Was werde ich wohl alles erleben ? Noch bin ich in männlicher Kleidung unterwegs.
Irgendwo in Süddeutschland werde ich am Bahnhof abgeholt von Marie. Nach einer kurzen Zwischenverpflegung bei ihr zuhause gehts nun per Auto weiter. Ich bin schon sehr nervös. Ich stelle mir schon in Gedanken vor, wie wir das Hotel en femme verlassen werden. Wird alles glatt gehen ? Akzeptieren die Kölner uns ?
So gegen 20 Uhr erreichen wir unser Hotel, welches sich in der Nähe des Hauptbahnhofs  befindet. Leider ist der Rezeptionist sehr unfreundlich. Ich habe deswegen schon fast böse Vorahnungen.
Im Hotelzimmer machen wir uns dann als Frau zurecht. Wir wollen gleich ans Strassenfest, welches von Freitag bis Sonntag in der Altstadt (Alter Markt, Heumarkt) stattfindet. Allerdings dauert die Umwandlung zur Frau doch etwas länger (*smile*). Ich ziehe mir ein rotes Kleid an, darüber eine schwarze Jacke. Nun geht es raus in die freie Welt. Mein Puls ist nun ein klein wenig sehr hoch (*ggg*). Wir wollen uns aus dem Hotelzimmer rausschleichen. Doch wir werden - oh schreck - entdeckt vom Rezeptionisten. Doch er will bloss nur unseren Zimmerschlüssel.
Es ist ein komisches Gefühl sich en femme nach draussen zu bewegen. Ich bin auf negative Reaktionen gefasst. Ich bin froh, dass Marie schon ziemlich routiniert ist und keine Angst hat respektive nicht zeigt. Wir setzen ein Smiling auf und nun geht es durch den belebten Hauptbahnhof hindurch. Ein paar Leute starren uns ganz schön an, aber ich höre keine bösen Worte.
Ich bin froh, dass ich mich in Köln schon auskenne. So weiss ich den Weg zur Altstadt genau. Wir gelangen via Kölner Dom zum Platz "Alter Markt". Nun fühle ich mich wohler. Es hat hier auch sehr viele Gays and Lesbians, welche sich auch wie wir Toleranz und Respekt anderer Leute erhoffen. Wir gelangen zu einer Kneipe und kommen gleich in Kontakt mit einer aufgestellten Clique von Tennisspielerinnen. Sie alle sind sehr freundlich. Marie kann ja auch unheimlich leicht, neue Leute kennenlernen. Davon kann ich profitieren, denn ich habe sonst ziemlich Mühe neue Menschen kennenzulernen. In der Schweiz ist dies ja auch erschwert. Hier in Köln sind die Leute sehr kontaktfreudig und aufgeschlossen. Die Tennisspielerinnen reagieren unterschiedlich auf uns, aber alle nett. Ein paar machen freche Sprüche, andere sind ein wenig über uns verblüfft, sind fasziniert von uns, zuerst recht still und "tauen", wie ich, erst später richtig auf. Den Gesprächen entnehme ich, dass sie über das Thema Transgender nicht sehr viel wissen. Ich versuche nebst dem Feiern ein bisschen Klarheit zu geben.
Folgendes kriege ich auch zu hören: "Ich dachte sowas wie Euch, gibt es nur im Fernsehen".

Draussen vor der Kneipe mit der netten Clique.

Da es draussen ein wenig kalt ist, gehen wir rein. Drinnen ist eine hervorragende Stimmung. Es werden Lieder zum Mitsingen abgespielt. Ich werde überall angeschaut und  ich erhalte von wildfremden Leuten tolle Komplimente. Eine aus der Clique sagt zu mir: "Diesen Abend werde ich nie vergessen". Dies alles gefällt mir und so bin ich richtig happy. Ich hätte nie im Traum daran gedacht, dass die Leute so positiv auf uns reagieren und sogar mit uns so toll feiern.

Im Innern der Kneipe geht das Feiern richtig los.
Es wird getanzt, gesungen, gelacht und auch ein klein wenig getrunken.

Gegen 3 Uhr gehts zurück zum Hotel. Der Weg um den Kölner Dom und durch den Bahnhof ist mir nicht ganz geheuer. Aber nichts passiert. Glücklich und noch voller Erinnerungen an einen verrückten Abend versuche ich einzuschlafen.

 

 

 

(Samstag, 6.7.2002)
Wir frühstücken im Hotel, ganz normal in Männerkleidung. Marie wollte zuerst en femme, aber in diesem unfreundlichen Hotel macht dies keinen Spass (Anmerkung: Sonst haben wir fast nur nette, freundliche Leute in K�ln angetroffen). Da Marie noch eine Freundin treffen will, gehe ich danach alleine los. Ich merke, dass ich als Mann viel weniger Aufmerksamkeit erhalte. Ich gehe etwas essen. Das Strassenfestival beginnt dann um 14:00. Auf dem Heumarkt ist die grosse Bühne. Gleich anfangs spielen Sestre, die slowenische Band, welche am Grand Prix Eurovision de la chanson teilgenommen haben. Für diejenigen die es nicht wissen: Sestre besteht aus Transvestiten und haben in ihrem Heimatland für ganz viel Aufregung gesorgt. Sie spielen leider nur ca 20 Minuten. Die Moderation und die Vorstellung der Bands übernehmen 2 Drag Queens. Das Niveau ihrer Witze ist nicht sehr hoch, dennoch bringen sie mich zum lachen. Die Musik-Bands die ich zu hören kriege, sind allesamt gut. Ich schaue mich um. Es hat unheimlich viele Gays and Lesbians. Aber unter den Zuschauern erspähe ich kein T-Girl. Wo sind sie geblieben ? (Anmerkung: Am ganzen Wochenende habe ich leider nur ein paar wenige andere T-Girls gesehen. Was mag wohl der Grund sein ? Trauen sie sich nicht ins Freie ? Wollen sie sich nicht blamieren ? Wollen sie nicht mit den Gays and Lesbians mitfeiern ? Gibt es gar nicht so viele wie das Internet den Anschein macht ? Ich finde es einfach schade, denn es w�re eine sehr gute Gelegenheit gewesen, auch ein bisschen auf uns aufmerksam zu machen. Ich weiss aber auch, dass ich mit meiner schlanken Figur wohl gewisse Vorteile gegen�ber anderen habe.)
Ich wünschte, ich wäre schon jetzt en femme unterwegs, denn dann wäre ich bestimmt nicht so alleine rumgestanden.
Nun geht es zurück ins Hotel. Marie kommt auch zurück. Ich kann es kaum erwarten mich wieder zurechtzumachen. Diesmal wähle ich etwas weniger auffälligeres. Ich ziehe einen schwarzen Rock und einen ärmelloser Pulli an. Immer noch muss ich  vor Verlassen des Zimmers durchatmen. Wieder geht es durch den Bahnhof Richtung Altstadt. Es ist schon ein spezielles Gefühl. Ich fühle mich frei, irgendwie erlöst, glücklich, gleichzeitig aber auch ein wenig ängstlich. Es geht durch die ganze Altstadt zum Heumarkt. Beim Hotel Timp und beim Sir treffen wir auf ein paar wenige T-Girls. Wir lernen dann eine Menge Lesbians kennen. Sie gehen mit uns sehr natürlich um, teilweise werden wir kaum wahrgenommen. Gestern unter den "Normalos" war dies noch ganz anders. Da hatte ich fast das Gefühl eine "Attraktion" zu sein. Es es wird auch gefeiert. Danach machen wir noch einen Abstecher in Richtung Bahnhof. Wir sind zu viert unterwegs. 3 T-Girls und ein T-Boy. Dass ich mal so in einer Gruppe rumlaufe, hätte ich noch vor ein paar Monaten für unmöglich gehalten. Aber es macht einfach Spass. Jetzt werden wir wieder unheimlich angestarrt und ich muss zugeben, dass ich dies schon irgendwie geniesse.
In der Nähe des Kölner Dom's werde ich dann allerdings von einem betrunkenen Mann belästigt. Er fühlt sich durch mich irgendwie angemacht. Marie hilft mir ihn loszuwerden. Nun geht es zu einer Kneipe in der Kölner Altstadt. Wir kommen in Kontakt mit 2 Bio-Frauen. Wir nehmen sie mit zum Hotel Timp.
Aus dem Nichts taucht dann wieder der gleiche Betrunkene auf. Wieder belästigt er mich, zum Glück bin ich nicht alleine und bald geht er weg. Wir feiern bis spät in die Nacht. Da ich nun sehr müde bin, verlasse ich ein paar Minuten vor Marie alleine den Ort. Ich hätte aber wohl besser noch ein paar Minuten gewartet. Denn es ist für mich ziemlich unheimlich en femme zumn Hotel zurückzulaufen. Ich glaube, ich kann mich nun viel besser in Frauen hineinfühlen, wenn sie es nicht mögen nachts durch einsame Strassen zu gehen. Ich werde richtig ängstlich, schaue mich überall um und weiche einer Gruppe von jungen Männer aus.  Wieder geht es um den Kölner Dom durch den Hauptbahnhof zum Hotel zurück. Wiederum ohne Zwischenfall.

 

(Sonntag, 7.7.2002)
Nach dem Frühstück machen wir uns wieder an die "Arbeit". Wir wollen an die Parade. Marie verzweifelt fast an mir, denn es dauert bei mir wieder ein klein bisschen länger als 5 Minuten. Wieder ziehe ich das rote Kleid, welches mir super gefällt, an. Wir verstauen unsere Koffer im Auto und los geht es zur Parade.

Kurz vor Beginn der Parade

Es herrscht ein riesiges Gedränge. Die Stimmung ist super. Leider wagen wir es nicht mitzulaufen.

Bilder vom Umzug.

Ziemlich bald nach dem Umzug schlendern wir zum Auto. Wir sind vom vielen Feiern doch ziemlich müde, auch haben wir noch eine lange Heimfahrt vor uns. Es geht los. Zum ersten Mal sitze ich en femme in einem Auto. Ich geniesse es mich neben Marie "chauffieren" zu lassen und Musik zu hören. Im roten Kleid fühle ich mich sanft, einfach richtig weiblich. Die Ereignisse des Wochendendes laufen mir wie in einem Film ab. Ich bin happy und zufrieden. Glücksgefühle durchströmen meinen Körper.
Ungefähr nach Hälfte der  Strecke mössen wir tanken. Dies wäre nicht weiter schlimm, wenn Marie nicht auch noch ein Kaffee trinken möchte. Auf einer Autobahnraststätte habe ich schon meine Bedenken einfach ein Kaffee trinken zugehen. Trotzdem folge ich natürlich Marie zum Restaurant. Ausser einem bösen Blick von einer älteren Frau, reagieren die Leute entweder gar nicht oder sehr freundlich.
Danach geht es weiter. Müde kommen wir in unserem Ziel an, wo wir uns leider der Realität wieder stellen (sprich: umziehen) müssen.

 

Fazit:
Ich werde nächstes Jahr wohl wieder hingehen. Kölner wissen zu feiern. Es hat jede Menge Spass gemacht. Eigentlich braucht man auch keine Angst zu haben. Vor allem mit einem Lächeln, selbstbewussten Auftreten kann fast nichts passieren. Besser ist sicher auch nicht alleine zu sein und sicher sollte frau dunkle Gegenden meiden. Es ist schlicht eine Super-Gelegenheit  sich en femme im Freien zu bewegen.
An diesem Wochende war ich sehr oft glücklich, irgendwie befreit vom vielen Nachdenken bzgl. meiner weiblichen Seite. Zuhause bin ich dann doch wieder ein wenig zurück in der "Realität" angelangt. Ich spürte wieder eine recht tiefe Traurigkeit. Doch dieses Wochende werde ich wohl nie, nie vergessen.
Es würde mich auch freuen, wenn ich mit diesem Bericht ein paar T-Girls animieren könnte, nächstes Jahr dabei zu sein.

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